Dienstag, 6. Februar 2018

Das Spiel als Ritual

Das Spiel als Ritual

Jedes Spiel ist ein Ritual, wobei die rituelle Handlung lange vor dem Beginn des eigentlichen Spiels beginnt, es sei denn, man bezweifelt die Möglichkeit, den Anfang zu definieren, und stellt die Existenz eines diskreten Anfangs an dem Punkt in Frage, an dem eine Struktur aus einer undefinierbaren Leere entsteht.


Vor allem Computerspiele beginnen damit, dass man sich zunächst einmal bei einem vagen Drang ertappt und dann überlegt, "was man spielen möchte". Du bist auf der Suche nach etwas Neuem, erkundest die Spieltheken, unternimmst einen Ausflug in das Lesen von Rezensionen und das Anschauen von Videoproduktionen. Du weißt noch nicht, wie deine Suche enden wird, aber die Suche kennt dich bereits - ihre Ergebnisse sind vorbestimmt.

Die Suche unterliegt den allgemeinen Regeln des unfehlbaren Fatalismus, von dessen Funktionieren sowohl das Universum als Ganzes als auch jedes einzelne Wesen abhängt. Die Dämonen des Spiels haben dich bereits gefunden - in jenem Augenblick, in dem der Verdacht auf Abwesenheit aufkeimt - die Abwesenheit von dir in der Topologie eines Spiels.

Dein Opfer beginnt mit dem Anzünden einer Idee, und in das Feuer wirfst du die Ressource von Zeit und Raum deines und nicht nur deines Seins. Aus der Ferne zeigst du dem Schaffner deine Rentenkarte, den Pass einer Einheit von überschüssigem Material dieser Welt. Dann vollziehst du eine Handlung, die scheinbar der Beginn einer Reise ist, in Wirklichkeit aber das nahe Ende ankündigt. Du wirfst eine rituelle Geldsubstanz ins Opferfeuer und erhältst die Antwort - ein neues Spiel frisch vom Fließband.

Dabei spielt es keine Rolle, dass es sich bei dem Spiel gar nicht um ein Spiel, sondern um ein Buch oder eine Pralinenschachtel handelt. Denn das Prinzip ist dasselbe. Es gibt keinen Ausweg.

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